Eine neue Heimat im Handwerk
Nicole Seel-Merget zeigt den Besucherinnen und Besuchern, die auf der Jobmeile in Aschaffenburg an ihrem Stand vorbeikommen, ein Foto. Darauf zu sehen ist Mohamad Hanafi, der es sich auf dem selbst gepolsterten Sessel in seiner Meisterkoje bequem gemacht hat. Der von ihm im Rahmen der praktischen Meisterprüfung gestaltete Raum steht unter dem Motto "modern und simpel". Er zeichnet sich durch klare Linien und Formen sowie durch ein stimmiges Farbkonzept aus. Herzstück ist ein handgezeichnetes Bild eines alten VW Bullis auf der Tapete. Mit dem Foto will Betriebsinhaberin Nicole Seel-Merget den Besuchern der Jobmeile zeigen, was Handwerk möglich macht. Dass jeder im Handwerk seinen Weg finden kann, egal woher er kommt. Denn das ist die Geschichte hinter dem Foto. Die Geschichte von Mohamad Hanafi, der 2015 im Alter von 15 Jahren als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Syrien nach Deutschland kam und im Team von Nicole Seel-Merget seinen Platz im Handwerk fand. "Wir alle stehen hinter Mohamad, und ich bin stolz auf ihn und seinen Weg", sagt die Raumausstattermeisterin.
Schritt für Schritt in den Beruf
Dieser Weg führte Mohamad Hanafi 2017 über ein Praktikum in den Raumausstatter-Betrieb von Nicole Seel-Merget in Mainaschaff. "Der Kontakt kam damals über den Willkommenlotsen der Handwerkskammer für Unterfranken zustande", erinnert sich die Betriebsinhaberin. Als Ansprechpartner für Betriebe und Geflüchtete unterstützen die Willkommenslotsen bei der beruflichen Integration in Ausbildung oder Arbeit. Mohamad Hanafi lernte zum damaligen Zeitpunkt noch intensiv deutsch und wollte gleichzeitig beruflich Fuß fassen.
"Anfangs habe ich neben dem Integrationskurs immer donnerstags und freitags hier gearbeitet", blickt er zurück. Schnell zeigte sich dabei: Er bringt nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch die nötige Motivation mit. Noch im selben Jahr begann er eine Einstiegsqualifizierung, die später in eine reguläre Ausbildung überging.
»Ich bin hier mit offenen Armen empfangen worden und habe immer Unterstützung bekommen«
Weiter vorangehen
Heute kann er sagen: "Ich habe meine Leidenschaft für diesen Beruf gefunden." Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung und einiger Zeit im Job, wollte Mohamad mehr und meldete sich für den Meisterkurs an. "Neues lernen und mehr Verantwortung übernehmen – das waren meine Gründe, diesen Schritt zu gehen", erzählt er. In den vergangenen Monaten absolvierte er parallel alle vier Teile der Meisterausbildung. "Ich habe ganz normal gearbeitet, bin wöchentlich drei Mal abends ins Bildungszentrum und samstags nach Darmstadt für den praktischen Teil", berichtet der 25-Jährige. Es sei eine herausfordernde Zeit gewesen, aber auch eine sehr bereichernde. "Fachlich hat mich der Kurs enorm weitergebracht. Ich konnte mein Wissen vertiefen und habe viel für meinen weiteren Weg mitgenommen." Auch in dieser Zeit seien seine Chefin Nicole Seel-Merget und die Kollegen immer an seiner Seite gewesen. "Wenn ich eine fachliche Frage hatte, war immer jemand da", berichtet der frisch gebackene Raumausstattermeister.
Mittlerweile ist Mohamad Hanafi in den Berufsalltag zurückgekehrt. Als Meister übernimmt er nun mehr Verantwortung für die Auszubildenden im Betrieb. "Es macht mir Spaß, mein Wissen weiterzugeben", fasst er kurz und knapp zusammen. Er ist jetzt richtig angekommen, im Handwerk und in seiner neuen Heimat.